Köln: 23.–26.02.2027 #AnugaFoodTec2027

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Reduzierte Recyclingfähigkeit optimieren

Recyclingfähigkeit

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Der Bedarf an nachhaltigen Verpackungen wird in den kommenden Jahren stark steigen. Neben neuen und umweltverträglichen Materialien steht auch die Recyclingfähigkeit von Verpackungen im Fokus. Peter Désilets ist Managing Director der Pacoon GmbH, einer führenden Verpackungs-Designagentur aus München. Er erläutert, warum falsche Additive, Farben, Kleber und Lacke das Recycling behindern oder deutlich reduzieren können, und worauf es heute bei Verpackungskonzepten vor allem ankommt.

Peter Désilets, Geschäftsführender Direktor

Portrait von Peter Désilets

Herr Désilets, was sind Ihrer Meinung nach die besten Herangehensweisen, um Verpackungen nachhaltig zu gestalten und fit für die Zukunft zu machen?

Für jedes Unternehmen sieht die nachhaltige Verpackung anders aus – individuell auf die Bedürfnisse des Unternehmens zugeschnitten. Daher empfehlen wir allen Unternehmen erstmal eine gründliche Bestandsaufnahme des Status quo im ganzheitlichen Sinne. Dazu gehört dann auch der komplette Supply Chain Prozess und die internen Abläufe.

Was sind relevante, nachhaltige Materialien für Lebensmittelverpackungen? Welche sind sehr gut recyclingfähig? In welchen sind Fremdmaterialien wie Kleber, Farben/Lacke und Additive eine besondere Herausforderung?

Per se können alle Materialen zu einer nachhaltigen Lebensmittelverpackung verarbeitet werden. Ich kann aber auch aus allen Materialien schlechte Optionen entwickeln.

Nehmen wir Kunststoffe, die in unseren heutigen Entsorgungs-Infrastrukturen einen schweren Stand haben. Selbst theoretisch sehr gut recycelbare Kunststoffe werden häufig nur zu einem kleinen Teil wieder zu Rezyklat verarbeitet. Das geht schon mit der Sammlung im Haushalt los, das ist wie beim Gewinnspiel: wer nicht mitmacht, kann auch nicht gewinnen! Aber ich kann aus Kunststoffen auch sehr schöne Mehrwegbehälter machen, seien es Getränkeflaschen, To Go-Geschirr oder Behälter für meinen ‚Unverpackt‘-Einkauf.

Generell sind fast alle Materialien recycelbar, aber der Fokus liegt vor allem auf den geläufigen, weit verbreiteten und begehrten Materialien, wie Polypropylen, Polyethylen oder PET bei Kunststoffen, natürlich Faserverpackungen aus Papier und Karton – die eine über 90 %ige Recyclingquote haben – Metalle und Aluminium sowie Glas. Einerseits hängt das mit dem Material selbst zusammen, das gut sortiert und recycelt werden kann zu seiner Ursprungsform. Andererseits ist ein ganz wichtiger Faktor die einfache Sammlung der Verpackungen. Eine Papiertonne hat quasi jeder Haushalt vor der Tür, Kunststoffe schon weniger. Aber auch Glas wird gern gesammelt und entsorgt, das ist vermutlich gelernt und auch dem guten Ansehen von Glas als nachhaltiges Material zu verdanken. Vielleicht achtet der Verbraucher bei ‚nachhaltigen‘ Verpackungen mehr auf die richtige Entsorgung?

Warum können Lacke/Farben, Kleber und andere Additive herausfordernd sein?

Additive, Farben etc. spielen in allen Materialien eine Rolle, sie führen in der Regel zu Verunreinigung des Rezyklats und somit zu Qualitäts- oder Mengenverlusten. Vor allem bei Kunststoff und Papier/Karton können die falschen Additive, Kleber und Lacke sogar das Recycling behindern oder deutlich reduzieren. Darum legen wir bei neuen Konzepten auch den Fokus immer mehr auf die ‚kleinen‘ Player bei der Verpackung, weil sie relevanter sind als gemeinhin angenommen.

Wie beeinflussen Fremdmaterialien wie Kleber, Farben/Lacke und Additive die Qualität von Plastik-Rezyklaten?

Heutzutage werden in der Regel Kunststoffe über ein Nahinfrarot-Scanning (NIR) in der Sortieranlage unterschieden – zumindest bei den kleineren Verpackungen. Das NIR ist darauf angewiesen, dass das Verpackungsmaterial ‚sichtbar‘ ist, um es richtig zuzuordnen. Eine dunkle Farbe – die zu fast 100 % auf Ruß basiert – behindert dabei die Sichtbarkeit und somit ist keine eindeutige Zuordnung des Materials möglich. Diese Materialien bzw. Verpackungen werden dann ausgeschleust und verbrannt. Je dunkler die Verpackung gestaltet wird – etwa auch mit einem dunklen Kunststoff als Material – umso schwieriger kann das Material erkannt werden.

Farben, Kleber, Lacke und Additive wirken sich aber auch im nächsten Prozess negativ aus: im Recycling werden die Kunststoffe wieder unter hohen Temperaturen eingeschmolzen. Wenn die Fremdstoffe diese hohen Temperaturen von 230-250 °C nicht aushalten, verdampfen bzw. vergasen sie. Dadurch entsteht ein hoher Druck im Extruder, der die Maschine beansprucht, außerdem entstehen Gerüche und Dämpfe, die teils ungesund, teils beeinträchtigend für Lebensmittel sind. Darum sollten hitzebeständige Fremdstoffe bei Kunststoffen eingesetzt werden, die zwar das Rezyklat beeinträchtigen, aber zumindest nicht ausgasen und keine Gerüche produzieren.

Was sind erste Schritte, um die Recyclingfähigkeit von herkömmlichen Kunststoffverpackungen zu verbessern? Worauf sollte bei der Verpackungskonzeption geachtet werden?

Wir denken die Recyclingfähigkeit immer vom End of Life-Szenario her, also mit welcher Wahrscheinlichkeit treten gewisse Bedingungen ein. Nehmen wir also an, eine Verpackung wird in Deutschland verkauft, dann sollten wir aus unserer Sicht primär die Verbraucher animieren, ihre Verpackungen in den gelben Sack oder die gelbe Tonne zu geben – Stichpunkt Gewinnspiel. Allein hier liegt ein Potenzial von ca. 50 % mehr Recyclinganteil, der ungenutzt bleibt.

Dann sollten die Packungen auf Basis von Materialien konzipiert werden, die auch sortiert und recycelt werden: das sind momentan im Wesentlichen Polypropylen (PP), Polyethylen als Low Density (LDPE – eher flexible Folien) und High Density (HDPE – eher feste Shampooflaschen o.ä.). Klassische Joghurtbecher aus Polystyrol (PS) kommen nur noch selten zum Einsatz und werden daher nicht immer sortiert, weil die rentablen Mengen fehlen. PET wird aktuell quasi gar nicht sortiert, auch wenn es dafür Bestrebungen gibt. Daher sind die marketingtechnisch ‚nachhaltigen‘ PET-Behälter aus Rezyklat auch in der Sortierung weitestgehend zur Verbrennung verdammt. Wir raten von PET-Rezyklat aus dem PET Getränkeflaschenstrom ab, weil es den geschlossenen PET-Kreislauf unterbricht.

Auch sollte man auf möglichst einheitliche Kunststoffe achten und einen Mix aus verschiedenen Kunststoffen verzichten. Eine Verpackung aus PP oder PE mit einer Barriereschicht aus EVOH oder PVOH ist einfacher zu recyceln als eine Multilayer-Verpackung aus verschiedenen Lagen unterschiedlicher Kunststoffe. Auch eine Metallisierung von Kunststoffen ist bedenklich, wogegen eine dünne Alu- oder SiOx-Bedampfung eher unbedenklich für die Sortierung sind. Es gibt viele Parameter, die es zu beachten gibt, dazu haben wir schon 2018 einen Leitfaden erstellt, noch bevor das Verpackungsgesetz in Kraft trat.

Was sind die häufigsten Fremdstoffe? Wie können Fremdstoffe durch das Design von Verpackungen vermieden werden?

Gängige Fremdstoffe sind neben den Farben, Additiven oder Klebern auch Metallisierungen, um Barrieren zu bilden gegen Sauerstoff, Wasserdampf oder Fette und Öle. Veredelungslacke sind sicherlich Standard bei Verpackungen, wie UV-Lack, Glanz- und Mattlacke. In der Regel sind die billigeren auch die schädlicheren für das Recycling, leider wissen das die meisten Einkäufer und Packungsentwickler nicht.

Warum können sich in Rezyklaten Gerüche entwickeln? Woher stammen diese? Wie können diese vermieden werden?

Gerüche in Rezyklaten stammen aus der Vergasung von Fremdstoffen im Extruder. Bei der hohen Hitze vergasen diese und die Inhaltsstoffe – teils auch toxischen Bestandteile – entweichen aus dem Kunststoff. PVC oder PVDC sind hier sicherlich die Fremdstoffe, die nicht nur in ihrer Herstellung giftige Stoffe produzieren, sondern auch beim Recycling. Daher werden diese immer mehr vermieden, es gibt auch schon seit Jahren die Initiative Healthy Printing, in der pacoon auch Mitglied ist und die auf gesunde Bestandteile und Farben in der Produktion und in der Verarbeitung achtet.

Warum sind Kleber, Farben und Lacke herausfordernd beim Recycling von Papier?

Bei Papier spielen diese eher im Recyclingprozess eine wichtige Rolle, weniger im Sortierprozess der vielen Papier- und Kartonqualitäten. Hierzu gibt es ein paar Grundregeln zu beachten: die Fasern werden im Recycling nicht gehäckselt oder zerschnitten, die Packungen werden zwar in kleinere, handliche Teile gerissen, aber die Fasern nicht geschnitten. Daher hat auch schon die Hochschule Graz ermittelt, dass Fasern im Recycling per se nicht gekürzt werden, sondern eher die Faserdicke mit der Zeit verringert wird.

Wichtig ist im ersten Schritt darauf zu achten, dass die Fasern nicht beidseitig wasserfest beschichtet werden, damit Wasser an die Fasern gelangen und diese ablösen kann von eventuellen Folien, Farbpartikeln oder Pigmenten. Durch mehrere Prozessschritte werden die Fasern dann von Farben und Lacken gereinigt. Dies gelingt allerdings nur dann wirklich gut, wenn die Fremdstoffe nicht wasserlöslich sind. Wasserlösliche Materialien werden dann mit den Fasern ausgefiltert, können später in der Trocknung wieder klumpen und die Fasern verunreinigen oder verfärben die Fasern und verringern die Recyclingqualität. Außerdem können sich die Fremdstoffe mit der Zeit wieder im Wasser anhäufen und dann im Papier ablagern, was wiederum zu Rissen bei der Papierproduktion führen kann. Daher sollten nicht-wasserlösliche Partikel gewählt werden, die von den Fasern getrennt werden.

Wie kann man die Gestaltung von Papierverpackungen fürs Recycling optimieren?

Die Packung sollte in erster Linie die Anforderungen des Produktes erfüllen. Dazu gehören bei Lebensmitteln in der Regel Barrieren, die das Papier allein selten mitbringt. Die neuen Entwicklungen gehen jedoch dahin, dass diese Barrieren zusätzlich aufgebracht werden, wie z.B. Fett-, Öl-, Sauerstoff- oder Wasserdampf-Barrieren. Hier ist drauf zu achten, dass das Recycling weiter ermöglicht wird. Eine solche Papier- oder Faserverbundverpackung besteht meist aus 70 bis über 90 % aus Fasern, die gut zurückgewonnen werden können – wenn die Verpackung richtig konzipiert wurde. Auch eine automatische Trennbarkeit von unterschiedlichen Materialien – wie zum Beispiel beim berühmten ‚K3‘-Becher – begünstigt das Recycling der einzelnen Materialien bei Verbundverpackungen.

Recycling Flaschen