Optische Verfahren in der Lebensmittelkontrolle
Welche konkreten optischen Messverfahren kommen bei Polytec zum Einsatz, wenn es darum geht, schwer zugängliche Bereiche zu analysieren – beispielsweise in der Lebensmittelindustrie?
Michael Huber: Zur neuesten Generation der Prozessanalytik zählt die Nahinfrarot-Spektroskopie (NIR): Sie basiert auf der Wechselwirkung von Licht im nahen Infrarotbereich mit den Molekülen im Produkt. Je nach chemischer Zusammensetzung absorbiert das Material bestimmte Wellenlängen – daraus lassen sich in Sekundenschnelle wichtige Parameter des Produktes berührungslos und zerstörungsfrei bestimmen.
Zusammen mit Messeinheiten für berührungslose Messungen über Förderbändern oder mit Kontaktmessköpfen für Rohrleitungen oder Lagerbehälter ermöglichen wir die Messung qualitätsrelevanter Parameter wie Feuchte, Protein, Fett oder Zuckergehalt – im 24/7-Betrieb. Die Messeinheiten sind kompakt und flexibel gestaltet, sodass sie sich an unterschiedliche Einbausituationen anpassen lassen. Spektrometer und Sensor sind getrennt und durch ein dünnes, flexibles Steuer- und Lichtleiterkabel verbunden. Dies ermöglicht eine einfache, platzsparende und flexible Integration in Prozesse auch an schwierig zu erreichenden Stellen im Produktionsbereich.
Inwiefern ermöglichen optische Verfahren eine zerstörungsfreie und gleichzeitig präzise Analyse der Eigenschaften von Lebensmitteln? Können Sie ein konkretes Beispiel aus der Praxis nennen?
Michael Huber: Unsere Kunden setzen Polytec-Spektrometer unter anderem bei der Olivenölproduktion ein. Bereits bei der Anlieferung werden die Oliven auf Förderbändern zerstörungsfrei analysiert, um die Qualität und Ölausbeute zu bewerten. So lässt sich frühzeitig entscheiden, wie die weiteren Produktionsschritte gestaltet werden.
Ein weiterer Messpunkt ist der Restölgehalt nach der Presse. Hier überzeugt unser kompakter Messkopf, der einfach am Ausgang des Dekanters installiert wird. Die Messergebnisse ermöglichen eine gezielte Optimierung der Extraktion direkt in der Anlage.

Berührungslose NIR-Messung der angelieferten Oliven zur Bewertung der Rohwarenqualität. Quelle: Polytec GmbH
Wie unterscheiden sich diese optischen Verfahren von traditionellen Messmethoden, insbesondere im Hinblick auf Effizienz, Genauigkeit und Nachhaltigkeit?
Michael Huber: Herkömmliche, nasschemische Verfahren erfordern Probenentnahmen, sind zeitintensiv und erzeugen chemische Abfälle. Außerdem liefern sie oft nur punktuelle Ergebnisse und können den laufenden Produktionsprozess nicht durchgehend überwachen. Unsere optischen Verfahren arbeiten berührungslos, schnell und umweltschonend – ohne Prozessunterbrechung. Die Messergebnisse werden über ein grafisches Interface ausgegeben. Hierbei ermöglicht die Software die Darstellung einzelner Parameter über einen Trend-Chart mit Warnfunktion. Tritt bei einem Messwert eine Über- oder Unterdosierung auf, wird dies unmittelbar in der Software sichtbar und Gegenmaßnahmen können unmittelbar eingeleitet werden, um Schwankungen schnell und effektiv auszugleichen.
Welche Herausforderungen treten bei der berührungslosen Messung in industriellen Umgebungen auf – zum Beispiel bei hohen Geschwindigkeiten in der Produktionslinie oder bei unterschiedlichen Oberflächenbeschaffenheiten?
Michael Huber: Die NIR-Messung dauert nur wenige Sekunden, doch bei hohen Fördergeschwindigkeiten ist ein Kompromiss zwischen Geschwindigkeit und Messgenauigkeit wichtig. Wir erreichen bis zu 50 Einzelmessungen pro Minute und mitteln die Werte, um ein verlässliches Gesamtbild der Rohware – etwa angelieferter Oliven – zu erhalten. Ein weiteres Thema ist die Oberflächenbeschaffenheit: Stark verschmutzte Oliven werden zuvor gewaschen und Beiwerk wie Blätter, Zweige und Sand entfernt. Dadurch wird die Genauigkeit der Messung verbessert. Besonders auf Förderbändern sind konstante Produkteigenschaften für präzise Analysen essenziell – was bei Agrarprodukten häufig eine Herausforderung ist.
Ein Teil des eingestrahlten Lichts wird von der Oberfläche und den oberflächennahen Schichten des Materials reflektiert. Die Stärke und das Spektrum dieser Reflexion hängen von den molekularen Bindungen im Material ab – insbesondere von Kohlenstoffbindungen. Daraus leiten wir über eine entsprechende Kalibration für das Analysegut die Messparameter wie Ölgehalt, Feuchtigkeit und Säuregrad ab.

Polytec-Software zur Echtzeitanalyse mittels NIR-Spektroskopie: Darstellung der gemessenen Parameter wie Fett, Protein, Laktose und Trockenmasse in Milchproben Quelle: Polytec GmbH
Wie lässt sich die Echtzeit-Fähigkeit dieser Technologien für die Prozessoptimierung nutzen, und welchen Mehrwert bringt das für Produzenten und Verbrauchern?
Michael Huber: Im Gegensatz zu klassischen Laboranalysen kann mit NIR-Technologie die gesamte Anlieferung eines Feldes analysiert werden – nicht nur Stichproben. Das erlaubt ein deutlich vollständigeres Bild über Qualitätsschwankungen und erhöht die Produktsicherheit. Gleichzeitig können Prozesse schnell angepasst und optimiert werden, was Rohstoffverluste reduziert und die Wirtschaftlichkeit erhöht.
Wie schätzen Sie die zukünftige Entwicklung optischer Technologien ein – insbesondere im Hinblick auf den Einsatz in der Lebensmittelverarbeitung oder Qualitätskontrolle?
Michael Huber: Optische Verfahren wie die NIR-Technologie werden weiter an Bedeutung gewinnen. Angesichts wachsender Bevölkerungszahlen und steigender Anforderungen an Kosteneffizienz, Qualitätssicherung und Dokumentation kann sich kein Produzent mehr Ausschuss oder Fehlchargen leisten. Der Trend geht klar zur automatisierten Qualitätskontrolle mit minimalem Personalaufwand – eine wichtige Lehre aus der Corona-Pandemie. Nur durch Systemautomatisierung und kontinuierliche Prozessüberwachung lassen sich die zukünftigen Anforderungen in der Lebensmittelbranche erfüllen.
Kontakt für weitere Informationen
Michael Huber
Produktmanager, Geschäftsbereich Analytik
Polytec GmbH
Polytec-Platz 1–7
76337 Waldbronn
www.polytec.com