Köln: 23.–26.02.2027 #AnugaFoodTec2027

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Recycling

KI als Gamechanger

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Mit der Einführung der neuen Europäischen Verpackungsverordnung (PPWR) verändert sich die Art und Weise, wie Verpackungen für Lebensmittel zu gestalten und zu verwenden sind, grundlegend. So fordert die PPWR beispielsweise, dass bis 2030 Verpackungen aus Kunststoff zu einem Mindestanteil von bis zu 35 Prozent aus Rezyklaten hergestellt werden. Hier setzt das Fraunhofer IVV mit dem Innovationslabor KIOptiPack an. Gemeinsam mit Projektpartnern konzentriert sich ein Team am Institut auf die Einsatzmöglichkeiten von KI im Recycling und Rezyklat-Verarbeitung.

Experten des Fraunhofer IVVs bei der Optimierung eines Verfahrens zur Produktion von Verpackungen. Im Rahmen des Projekts KIOptiPack entwickeln sie auch KI-Werkzeuge, um Kunststoffverpackungen fit für die Kreislaufwirtschaft zu machen. Copyright: ©Fraunhofer IVV

Kunststoffe sind leicht zu verarbeiten und wahre Alleskönner unter den Verpackungsmaterialien. Die Kehrseite der Medaille: Im Jahr 2022 verursachte jede Person in der Europäischen Union durchschnittlich 36,1 Kilogramm Kunststoffverpackungsabfall. Die Menge der pro Einwohner erzeugten Kunststoffverpackungsabfälle stieg zwischen 2012 und 2022 um etwa acht Kilogramm. Das Gesamtaufkommen an Kunststoffabfällen in der EU belief sich im Jahr 2022 damit auf über 16 Millionen Tonnen. Etwa 6,5 Millionen Tonnen, rund 41 Prozent, davon wurden recycelt. Die neue europäische Verpackungsrichtlinie, besser bekannt unter dem Namen Packaging and Packaging Waste Regulation (PPWR), hat sich zum Ziel gesetzt, die steigenden Mengen an Verpackungsabfällen in der EU zu reduzieren und den Anstieg bis 2030 durch eine funktionierende Kreislaufwirtschaft zu stoppen.

Herausforderungen beim Recycling von Kunststoff

Zu den größten Herausforderungen zählen dabei die Qualität und der Preis des recycelten Materials verglichen mit fabrikneuem Kunststoff. Denn bisher lässt sich weder die Qualität noch der Reinheitsgrad von Sekundärrohstoffen richtig vorhersagen oder definieren. Wichtige Gründe hierfür liegen auf der einen Seite an den Verunreinigungen, die durch einwirkenden Stoffe im Stoffkreislauf resultieren, und auf der anderen Seite an Veränderungen der Polymer- und Funktionseigenschaften der Rezyklate, die nach dem Recyceln auftreten. Dies führt zu Veränderungen und Schwankungen in der Verarbeitung und Nutzung der Sekundärrohstoffe, die wiederrum eine verringerte Qualität und Effizienz im Produktionsprozess nach sich ziehen. Zusätzlich kann bisher auch noch nicht deren rechtliche Konformität für die Lebensmittel- und Verpackungssicherheit gewährleistet werden. Um Qualitätsverluste und Komplikationen zu umgehen, werden Rezyklate daher noch viel zu wenig eingesetzt.

Welche technischen Mittel werden benötigt und welche wirtschaftlichen Herausforderungen müssen bewältigt werden, um die Nutzung von recycelten Materialien sinnvoll und kosteneffizient in den Kreislauf zu führen? Der Beantwortung dieser Frage widmet sich das Innovationslabor KIOptiPack. Ziel ist es, KI-gestützte Werkzeuge für ein erfolgreiches Produktdesign und eine qualitätsgerechte Produktion von Kunststoffverpackungen mit hohem Rezyklatanteil bereitzustellen, zu validieren und schließlich in einen Anwendungs- und Datenraum einzuspeisen. Zusätzlich soll für diesen Zweck eine zentrale Netzwerkplattform für das Wertschöpfungsengineering gebildet und mit dem KI-Anwendungs- und Datenraum verknüpft werden. Ein Team am Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung IVV in Dresden bringt dazu seine interdisziplinäre Expertise aus den Bereichen Verpackungsentwicklung und -herstellung, Lebensmittelwissenschaft, Sensorische Analytik als auch Messtechnik, KI-Methoden und Algorithmen ein. So wird es insbesondere auch möglich, diese Verpackungen im Kreislauf zu führen und ganzheitlich zu optimieren. Nach vollständiger Integration aller Daten schlagen die KI-Werkzeuge bestmögliche Verpackungsdesigns für ein bestimmtes Produkt bei gleichzeitig minimalem Materialaufwand vor.

KI hilft bei der Wahl der Recyclingmethode

„Um Rezyklate besser in Verpackungslösungen einarbeiten zu können, ist ein gemeinsamer Datenraum unerlässlich“, betont Prof. Dr. Andrea Büttner, Institutsleiterin des Fraunhofer IVV. Denn Rezyklat sei ein wertvolles Material. „Doch die Qualität des recycelbaren Kunststoffs muss stimmen. Sobald Kunststoffe im Kreislauf geführt werden, können sie prinzipiell Verunreinigungen enthalten“, so die Expertin. Der Hintergrund ihrer Aussage: Sind die Rezyklate durch unerwünschte Substanzen wie Fremdkunststoffe, Druckfarben oder Abbauprodukte kontaminiert, kann dies ihre Qualität erheblich beeinträchtigen und sie sogar unbrauchbar machen. Dies stellt die Branche vor besondere Herausforderungen. Von den Rezyklat-Herstellern über Unternehmen, die Verpackungsfolien produzieren, bis hin zur Lebensmittelindustrie braucht es einen systematischen Datenaustausch und eine einheitliche Begriffsprache beim Umgang mit Kunststoffen. Dabei geht es vor allem um Polyolefine – die größte Gruppe der Kunststoffe, die sich während ihrer Verarbeitung stark verändern können.

„Damit Rezyklate hochwertig weiterverarbeitet werden können, bedarf es KI-gestützter Werkzeuge. Unsere am Fraunhofer IVV entwickelten modularen Softwarelösungen unterstützen bei der Charakterisierung und Analyse von Materialeigenschaften und verknüpfen Informationsflüsse so, dass für Rezyklate mit schwankenden Eigenschaften ein passendes Anwendungsfeld identifiziert werden kann“, sagt Dr. Matthias Reinelt, Leiter der Gruppe Haltbarkeits- und Verpackungsmodellierung am Fraunhofer IVV. „Unser KI-Tool für die Verpackungsherstellung nutzt möglichst viele Informationen über das Rezyklat, um den optimalen Verarbeitungsprozess festzulegen, sodass am Ende der Prozesskette beispielsweise ein nachhaltig hergestellter Joghurtbecher mit homogener Wandstärkenverteilung und der gewünschten Ausformung im Warenregal landen kann“, so Reinelt. Auch die Qualität der Rezyklate bewerten die Forschenden mithilfe chromatographischer Analysemethoden, welche ebenfalls KI-Tools zur verbesserten Substanzidentifizierung nutzen. So soll verhindert werden, dass trotz guter Sortierung ungeeignete oder belastete Rezyklate in den Kreislauf geraten. Die Optimierungswerkzeuge und der vernetzende Datenraum werden teilweise direkt in den Produktionsprozess der jeweiligen Hersteller eingebunden. Echtzeitvorschläge zur weiteren Verarbeitung in Abhängigkeit des eingesetzten Rezyklats an eingesetzten Maschinen vor Ort sind somit möglich.

Neue Werkzeuge adressieren Rezyklat-Lücke

Der Rezyklateinsatz in Kunststoffprodukten steigt zwar kontinuierlich an, doch trotz dieser Entwicklung wird die Menge an recycelten Kunststoffen nicht ausreichen, um die beschlossenen gesetzlichen Rezyklat-Einsatzquoten zu erreichen. Experten erwarten, dass die Lücke zwischen Angebot und Nachfrage bei Kunststoffrezyklaten in den nächsten Jahren wachsen wird. Bis 2030 soll der Bedarf an Rezyklaten das Angebot um 30 Prozent übersteigen. „Mit Insellösungen können wir die Recyclinglücke im Kunststoffbereich langfristig nicht füllen. Unsere KI-gestützten Optimierungswerkzeuge, die Material- und Informationsflüsse miteinander verzahnen, adressieren das Problem. Wir vernetzen die Akteure der unterschiedlichsten Branchen miteinander und versuchen, besser auf Ressourcenverknappungen zu reagieren“, resümiert Prof. Dr. Andrea Büttner.

Weitere Informationen
www.ivv.fraunhofer.de