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Mikrobielle Gemeinschaften

Verderbniserreger in fleischverarbeitenden Betrieben

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Die Forschung hat sich bislang vor allem mit Krankheitserregern befasst, die durch Lebensmittel übertragen werden. Verderbniserregern, die für die Lebensmittelindustrie ebenso wichtig sind, wurde viel weniger Aufmerksamkeit geschenkt. Prof. Dr. rer. nat. Michael Gänzle, University of Alberta, forscht zu mikrobiellen Gemeinschaften in fleischverarbeitenden Betrieben – mit neuen Erkenntnissen, die wichtig sind für eine nachhaltigere, sicherere und zuverlässigere Lebensmittelversorgung der Menschen.

Eine Schale mit Bakterien-Abstrichen wird analysiert

Fleischerzeugnisse sind gute Nährstoffquellen für den menschlichen Verzehr, bieten aber auch Nährstoffe für das Wachstum von Bakterien, was zu Sicherheitsproblemen führen kann. Mikrobieller Verderb ist eine der Hauptursachen für Lebensmittelabfälle. Im Jahr 2019 wurden 77,4 Millionen Tonnen Schweine-, Geflügel-, Rind- oder Hammelfleisch entlang der Lebensmittelversorgungskette weggeworfen und verschwendet, einschließlich Ernte, Verarbeitung, Lagerung, Versand, Auslage im Einzelhandel und Endverbraucherhandling. Insbesondere 20 % dieser Abfälle entstanden in den Phasen der Verarbeitung und Verpackung. Globale Lieferketten sind auf eine lange Haltbarkeit der Produkte angewiesen, um einen internationalen oder sogar interkontinentalen Vertrieb zu ermöglichen. Zusätzlich zu den Bedenken hinsichtlich der Lebensmittelsicherheit und der Kontamination von Lebensmitteln mit Krankheitserregern macht sich die Lebensmittelindustrie daher auch Gedanken über Verderbnismikroben und deren Auswirkungen auf den Verderb von Lebensmitteln. Unsere derzeitige Forschung zielt darauf ab, die mikrobiellen Gemeinschaften in Lebensmittelverarbeitungsbetrieben und ihren Beitrag zum Verderb von Fleisch zu charakterisieren.

Wie gelangen Mikroben in die Verarbeitungsanlage und verderben das Fleisch?

Der mikrobielle Verderb hängt von der Kontamination von Lebensmitteln durch Rohmaterialien oder durch mikrobielle Gemeinschaften ab, die sich in Lebensmittelverarbeitungsanlagen ansiedeln, oft als bakterielle Biofilme. Vor der Schlachtung ist das Muskelgewebe im Wesentlichen steril. Während des Schlachtens und der Verarbeitung wird das Fleisch durch Mikroorganismen aus der Luft, dem Wasser, den Arbeitern und dem Verarbeitungsumfeld kontaminiert. Verderbniserregende Mikroben in frischem Fleisch und Fleischerzeugnissen stammen in der Regel aus der Verarbeitungsumgebung und nicht von Tieren oder Menschen. Zu den üblichen fleischverder-benden Mikroben gehören die psychrotrophen Pseudomonas, Acinetobacter, Staphylococcus, Psychrobacter, Milchsäurebakterien, Enterobacteriaceae und Clostridien. Je nach Lagerungsbedingungen produzieren diese Mikroorganismen Enzyme, die Kohlenhydrate, Proteine und Lipide abbauen, was zur Entwicklung von Fehlgerüchen, Schleimbildung und Verfärbungen führt. Die mikrobiellen Gemeinschaften in Anlagen, die unterschiedliche Waren verarbeiten, z. B. Molkereiprodukte, Obst und Gemüse oder verzehrfertige Produkte, überschneiden sich in erheblichem Maße, was wiederum unterstreicht, dass die (gekühlten) Verarbeitungsanlagen und nicht die jeweiligen Rohstoffe die Hauptquelle für verderbliche Mikroben sind.

Fallstudie: Hartnäckige Verderbniserreger in einem Fleischverarbeitungsbetrieb

Wir arbeiten derzeit an der Charakterisierung mikrobieller Gemeinschaften in einem Fleischverarbeitungsbetrieb in Alberta. Ziel ist es, die Überschneidungen zwischen Isolaten von Stellen, die mit Lebensmitteln in Berührung kommen, und solchen, die nicht mit Lebensmitteln in Berührung kommen, sowie von Fleisch zum Zeitpunkt der Verarbeitung und am Ende der dreimonatigen vakuumverpackten Haltbarkeit zu bestimmen. Die meisten früheren Studien über mikrobielle Gemeinschaften in Fleischverarbeitungsbetrieben stützten sich auf kulturunabhängige Methoden und erreichten nur eine Identifizierung auf Gattungsebene. Wir haben einen kulturbasierten Ansatz mit hohem Durchsatz angewandt, um durch Genomsequenzierung eine Identifizierung der Mikroben auf Stammebene zu erreichen. Dies bietet einen einzigartigen Einblick in die Zusammensetzung mikrobieller Gemeinschaften auf Stammebene und ermöglicht eine eingehende Charakterisierung der physiologischen und biochemischen Eigenschaften der Isolate. Die Genomsequenzierung wurde mit der Oxford Nanopore-Plattform durchgeführt. Durch die gleichzeitige Se-quenzierung von 96 Stämmen liefert die Plattform Genome mittlerer Qualität, um Informationen zur Taxonomie auf Artniveau zu erhalten; die Identifizierung auf Stammebene erfordert eine erneute Sequenzierung mit höherer Abdeckung, um eine Identifizierung auf Stammebene zu erhalten. Bis heute haben wir bei zwei Besuchen in der Fleischverarbeitungsanlage über 2000 Isolate von 116 Probenahmestellen erhalten, von denen mehr als 1.000 genomsequenziert wurden.

Diversität und Persistenz von Verderbniserregern

Das Konzept der Bakterienstämme wird je nach Kontext unterschiedlich interpretiert. In der Lebensmittelmikrobiologie werden Isolate, die bei mehreren Besuchen im Abstand von mehreren Monaten in denselben Verarbeitungsanlagen gewonnen wurden, als derselbe Stamm angesehen, wenn sich ihre Genome um weniger als 10-20 Nukleotide unterscheiden. Die mikrobielle Persistenz wurde hauptsächlich bei Lebensmittelpathogenen untersucht, insbesondere bei Listeria monocytogenes, das in einigen Betrieben bis zu 17 Jahre lang persistieren kann. Über die Persistenz von Verderbniserregern liegen jedoch nur wenige Informationen vor. Diese Lücke muss unbedingt geschlossen werden, da die meisten lebensmittelbedingten Krankheitserreger, darunter auch Listerien, in der Regel nur eine begrenzte Fähigkeit zur Bildung von Biofilmen haben. Listerien integrieren sich jedoch in Biofilme, die von persistenten Verderbnismikroben gebildet werden und die Erreger somit vor routinemäßigen Hygienemaßnahmen schützen.

Die in dieser Studie gesammelten Stämme zeigten eine große Vielfalt von Mikroben, darunter Vertreter der meisten Mikroben, die für den Verderb von Fleisch relevant sind. Am häufigsten wurden Stämme von Pseudomonas spp. Isoliert. Diese Art zeichnet sich durch ihre Fähigkeit aus, bei Kühltemperaturen Biofilme zu bilden. Die Sequenzierung des gesamten Genoms zeigte, dass die Mikroben auf dem Fleisch aus dem Verarbeitungsbetrieb stammen und trotz Desinfektion bestehen bleiben. Genomanalysen zeigten, dass Carnobacterium maltaromaticum über einen Zeitraum von 6 Monaten an allen Probenahmestellen und über die Zeit hinweg persistierte; darüber hinaus sind die Isolate aus Fleischproben nicht von Isolaten zu unterscheiden, die aus Bodenabläufen im Kühlraum des Schlachtkörpers gewonnen wurden. Diese Bodenabläufe scheinen also als Nische für Carnobacterium zu dienen, das sich dort ständig aufhält und das Fleisch nach den Reinigungs- und Sanierungszyklen erneut kontaminiert. Ein zweiter Hotspot für mikrobielle Stämme, die auch auf frischem Fleisch und Fleisch nach 3-monatiger Lagerung identifiziert wurden, waren Proben nach der Reinigung von Verpackungsanlagen. Andere Verderbniserreger wie Rahnella und Serratia stammten aus Umgebungen mit und ohne Lebensmittelkontakt im Herstellungs- und Verpackungsbereich. Dies unterstreicht die Notwendigkeit einer standortspezifischen Reinigungs- und Desinfektionsstrategie.

Biofilmbildung und mikrobielle Interaktionen

Die Fähigkeit von Bakterien, Biofilme zu bilden, trägt zu ihrem Fortbestehen in der Verarbeitungsanlage bei und erhöht somit das Risiko des Verderbs von Produkten, kann aber auch pathogenen Mikroben, insbesondere L. monocytogenes, das Fortbestehen ermöglichen. In Fleischverarbei-tungsbetrieben wird die Betriebstemperatur in der Regel bei etwa 4 °C gehalten. Die meisten Literaturdaten zur Biofilmbildung zeigen jedoch, dass Biofilme mit einer oder zwei Spezies bei Tem-peraturen von 10°C oder höher wachsen. Wir haben mikrobielle Gemeinschaften aus 10 Probe-nahmestellen rekonstituiert, um ihre Fähigkeit zur Bildung von Biofilmen auf lebensmittelechten Edelstahlkupons bei 4°C und 25°C zu bestimmen. Die Biofilm-Gemeinschaften bestanden aus bis zu 12 verschiedenen Bakterienstämmen, von denen einige wenige die Biofilm-Gemeinschaften dominierten, während andere mit geringer Häufigkeit bestehen blieben. Die artenreichen Gemeinschaften bildeten bei 4 °C dichtere Biofilme als bei 25 °C. Diese Isolate haben sich an die niedrigen Temperaturen angepasst, die in der Verarbeitungsumgebung und während des Vertriebs und der Lagerung der Produkte herrschen. Carnobacterium und Enterobacteriaceae, die in verdorbenem vakuumverpacktem Fleisch vorherrschen, koexistieren synergistisch mit anderen Arten aus Gattungen wie Pseudomonas, Flavobacterium und Brochothrix.

Forschung für eine nachhaltige, sichere und gesicherte Lebensmittelversorgung

Die Forschung hat sich vor allem mit Krankheitserregern befasst, die durch Lebensmittel übertragen werden, während Verderbniserregern, die für die Lebensmittelindustrie ebenso wichtig sind, viel weniger Aufmerksamkeit geschenkt wurde. In der Lebensmittelverarbeitung existieren jedoch Krankheitserreger und Verderbnismikroben nebeneinander und interagieren synergistisch oder antagonistisch, was zu komplexen Herausforderungen führt. Eine bessere Kontrolle des Ver-derbs von Lebensmitteln und eine geringere Lebensmittelverschwendung tragen ebenfalls zu einem nachhaltigeren Lebensmittelsystem bei. Durch die Verlängerung der Haltbarkeit von Lebensmitteln werden diese auch erschwinglicher, wodurch der Zugang zu hochwertigen und nahr-haften Lebensmitteln für Bevölkerungsgruppen, deren Ernährung nicht gesichert ist, verbessert wird.

Ein besseres Verständnis und eine bessere Kontrolle der mikrobiellen Gemeinschaften in Lebensmittelverarbeitungsanlagen sind daher von großer Bedeutung für die derzeitigen Bemühungen um eine nachhaltigere, sicherere und zuverlässigere Lebensmittelversorgung. Ist die Lebensmittelindustrie auf dem richtigen Weg? Die derzeitigen Anlagen zur Lebensmittelverarbeitung belegen, dass die Lebensmittelindustrie mit einem bemerkenswert hohen Hygienestandard arbei-tet. Dennoch enthalten die mikrobiellen Gemeinschaften in etwa 40 % der Lebensmittelverarbeitungsanlagen immer noch L. monocytogenes: Hier bleibt noch viel zu tun sowohl in der Wissen-schaft als auch in der Industrie.

Prof. Dr. Michael Gänzle

Prof. Dr. Michael Gänzle

Kontakt

Shaelyn Xu and Michael G. Gänzle
University of Alberta, Dept. of Agricultural Food and Nutritional Science,
Edmonton, Alberta, Canada.
https://apps.ualberta.ca/directory/person/mgaenzle