Pick and Move
Auftakt einer neuen Generation
Ob in der Lagerlogistik oder beim innerbetrieblichen Materialtransport: Im Umfeld der Lebensmittelindustrie müssen vielfältige Produkte, Aufträge und Bestände bearbeitet werden. Eine neue Generation von KI-gestützten Robotern hilft dabei, diese Herausforderungen zu bewältigen, wie die International Federation of Robotics (IFR) berichtet. Um die Maschinen zu befähigen, bei flexiblen Pick-and-Move-Szenarien zu unterstützen, nutzen ihre Entwickler KI-Software, die auf einen erfahrungsbasierten Lernprozess statt auf Programmierung setzt. Dies befähigt die Roboter beispielsweise, in einem Logistikzentrum verschiedene Gegenstände mit hoher Geschwindigkeit zu greifen und zu verpacken.
Zu den weiteren Innovationen, die durch den Einsatz von KI bereits erheblich verbessert wurden, zählen autonome mobile Roboter (AMR) und fahrerlose Transportsysteme (FTS). „Diese Systeme navigieren selbstständig durch Lagerhallen, vermeiden Kollisionen und optimieren ihre Routen kontinuierlich“, sagt Rainer Schulz, Geschäftsführer bei Sysmat. „Dank der Integration von Sensortechnologien und KI-basierten Steuerungen arbeiten sie nahtlos mit bestehenden Infrastrukturen zusammen und ermöglichen eine dynamische Anpassung an veränderte Produktions- und Logistikabläufe“, erklärt der Experte.
KI-gestütztes Kommissionieren
Ein aktuelles Beispiel für das KI-gestützte Kommissionieren ist der Flexley Tug T702 von ABB, den ersten einer ganzen Reihe von mobilen Robotern mit Visual-SLAM-Navigation (Visual Simultaneous Localization and Mapping). Der autonome mobile Roboter (AMR) nutzt KI-gestützte 3D-Bildverarbeitung zur Positionierung und Kartierung und ist in der Lage, intelligente Navigationsentscheidungen auf der Grundlage seiner Umgebung zu treffen. Ein weiteres Beispiel von ABB sind Picking-Module für Logistik- und E-Commerce-Anwendungen, die durch den Einsatz intelligenter Bildverarbeitungstechnologie auch unbekannte und zufällig angeordnete Artikel in unstrukturierten Umgebungen handhaben können – und so eine nahtlose Bearbeitung mit hohem Durchsatz und hohem Variantenmix sicherstellen. Die Roboter weisen eine Picking-Genauigkeit von über 99,5 Prozent auf – selbst in hochdynamischen Umgebungen, in denen sich Artikelgrößen, Formen und Verpackungsarten täglich ändern. Die Bewegungsplanungssoftware ermöglicht dabei eine kollisionsfreie automatische Bahnplanung, sobald jeder Artikel durch das KI-Vision-System identifiziert worden ist. Zudem lässt sich das KI-System auch so trainieren, dass es nicht-vereinzelbare Artikel erkennt und aussortiert, um einen zuverlässigen und effizienten Betrieb zu gewährleisten.
Gewappnet für viele intralogistische Aufgaben
Artikel handhaben und von A nach B bringen: die nächste Revolution wird sein, dass die Systeme beides können – zumindest, wenn es nach dem Willen der Entwickler vom evoBOT geht. Das Besondere an ihm: Der dynamisch modulare Roboter, der mit Greifarmen ausgestattet ist und auf zwei Rädern fährt, lässt sich nicht nur als Transportroboter nutzen, sondern auch kollaborativ als Assistenz für den Menschen. Zu diesem Zweck basiert das Prinzip seiner Konstruktion auf einem inversen Pendel, das kein externes Kontergewicht benötigt. Dank der Pendelbewegung kann der mobile Roboter Objekte direkt vom Boden anheben und in unterschiedlichen Höhen wieder abgeben. Im Vorfeld möglicher Einsätze im industriellen Umfeld demonstrierte das Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik IML seine Vielseitigkeit am Flughafen München erstmals der Öffentlichkeit. Dort legte evoBot Packstücke von einer Europalette auf das Förderband eines Röntgengeräts und nach dem Inspektionsvorgang wieder zurück auf die Palette, während der ebenfalls vom Fraunhofer IML entwickelte omnidirektionale, hochdynamische Roboter O³dyn den Transport von Europaletten in das benachbarte Lager übernahm. Gesteuert wurden die Prozesse über die Fraunhofer-Leitsystemsoftware openTCS – ein niederschwelliges Tool zur Koordination von Fahrerlosen Transportfahrzeugen (FTF). „Bei der Koordination und Steuerung der Fahrzeuge wird uns in Zukunft Künstliche Intelligenz unterstützen“, erklärt Prof. Michael Henke. „Sie liefert die notwendigen Werkzeuge und Algorithmen, mit denen wir die Laufwege der autonomen Roboter vorausberechnen und Kollisionen sicher vermeiden können. Letztendlich werden wir schon bald vollständig autonom arbeitende Systeme erhalten“, resümiert der geschäftsführende Institutsleiter des Fraunhofer IML.

Neben dem flexiblen Handhaben von Objekten entwickelt das Fraunhofer IPA unter anderem Lösungen für roboterbasierte Intralogistikprozesse. Copyright: Fraunhofer IPA/Foto: Rainer Bez.
Multifunktional und ortsflexibel
Auch das Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA steuert seine Expertise zur KI in der Intralogistik bei und legt einen Fokus auf den Einsatz multifunktionaler und ortsflexibler Robotersysteme. Die Voraussetzungen dafür wollen die Forschenden innerhalb des RoX-Projektes schaffen. In dem im September 2024 gestarteten Vorhaben soll ein digitales Ökosystem für KI-basierte Robotikanwendungen insbesondere in Produktion und Logistik entstehen. „Für Deutschland als Produktionsstandort und Heimat vieler weltweit herausragender Anbieter von Roboterkomponenten und -lösungen gibt das Projekt einen Schub hin zu neuen Maßstäben in einer international schnelllebigen Branche“, ist Richard Bormann, Forschungsteamleiter und Projektkoordinator am Fraunhofer IPA, überzeugt.
Das Fraunhofer IPA bringt in das Projekt zahlreiche Technologieentwicklungen für verschiedenste Anwendungskontexte mit ein, die auch in der Lebensmittelindustrie eine zentrale Rolle spielen:
- Flexible Greiflösungen: Hierbei geht es um das roboterbasierte Handhaben von vielfältigen Objekten, etwa für Intralogistik und Produktion. Mithilfe von KI-Technologien wird es möglich, Einrichtaufwände zu reduzieren und Roboter lernfähig zu machen, beispielsweise hinsichtlich nötiger Bewegungsabläufe oder Greiftechniken, die dann nicht mehr umfänglich programmiert werden müssen.
- Roboterbasierte Intralogistikprozesse: Hier liegt der Fokus auf dem Be- und Entladen von LKW mithilfe von autonomen mobilen Robotern oder autonomen Staplern sowie auf dem Außentransport im Werksverkehr, zum Beispiel zwischen Werkshallen.
- KI-gestützte Auslegung und Inbetriebnahme: Basierend auf dem Softwaretool Computer-Aided Risk Assessment (CARA) und der Robo-Dashcam, einer Kamera zur Erkennung von Personen im Umfeld des Roboters, lassen sich sichere und zugleich leistungsoptimierte Anwendungen teilautomatisiert umsetzen. Dies erleichtert und beschleunigt die aktuell noch aufwendige Risikobeurteilung gerade für Anwendungen, in denen eine Interaktion zwischen Menschen und Roboter gewünscht ist.
Gegen den Arbeitskräftemangel
Nimmt der Einsatz von Robotik in Logistik und Transport also weiter zu, entlastet dies Lebensmittelproduzenten, die für diese Aufgaben kein Personal finden. Vor allem der Einzug einer neuen Generation KI-gestützter Roboter soll helfen, dem Fach- und Arbeitskräftemangel entgegenzuwirken. „Der Mangel an Lkw-Fahrern, Lager- oder Hafenarbeitern ist ein kritischer Faktor im weltweiten Lieferketten-Management", sagt Marina Bill, Präsidentin der International Federation of Robotics. „Roboterhersteller kombinieren die Hardware mit intelligenter Software und bedienen damit die spezifischen Automationsbedürfnisse der Lager- und Logistikbranche. Mit KI ausgestattete Roboter eröffnen diesem Sektor eine enorme Vielzahl neuer Möglichkeiten.“