Köln: 23.–26.02.2027 #AnugaFoodTec2027

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Tumbeln im Trajektionsmischer

Mehr Effizienz in der Kochschinkenherstellung

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Mit ihrer Fähigkeit, Scherkräfte effizient und produktschonend einzuleiten, revolutionieren die Trajektionsmischer der hs tumbler GmbH die Prozesse in der Lebensmittelverarbeitung. Jetzt hat das auf der Anuga FoodTec 2024 mit dem International FoodTec Award in Gold prämierte Start-up die Prüfung für die Nutzung in Industrieanlagen bestanden: Erstmals kommt die Technologie in der großtechnischen Schinkenproduktion zum Einsatz. Dazu führten wir ein Gespräch mit den beiden Geschäftsführern Bernhard Hukelmann und Andreas Leitze.

Eine industrielle Maschine namens „hs Tumbler“, gebaut überwiegend aus Metall mit mehreren beweglichen Teilen, Rutschen und Fülltrichtern. Die robuste Edelstahlkonstruktion steht auf Rollen und verfügt über große Fenster seitlich, um Einblick in das Maschineninnere zu ermöglichen. Die Oberflächen sind für Hygiene und leichte Reinigung gestaltet. Das Gerät ist für automatisiertes Mischen oder Streuverfahren im industriellen oder wissenschaftlichen Bereich konzipiert.

Die Trajektionsmischer können mit minimalen Anpassungen hochskaliert werden, wodurch eine flexible Anpassung an wachsende Produktionsanforderungen möglich ist. Copyright: ©hs-tumbler GmbH

Welche physikalischen Mechanismen werden beim Trajektionsmischen genutzt und inwiefern gewährleisten diese eine homogene Durchmischung?

Bernhard Hukelmann: Unsere Mischer nutzen einen neuartigen Ansatz zur Stoffvermischung, bei dem keine herkömmlichen Rührwerkzeuge wie Schaufeln, Paddel oder Schnecken zum Einsatz kommen. Stattdessen wird der gesamte Prozessbehälter mit dem Mischgut entlang einer programmierbaren Bahnkurve bewegt. Diese Bewegung, die als Trajektionsmischen bezeichnet wird, führt dazu, dass das Prozessgut beschleunigt und sich mit sich selbst verarbeitet.

Andreas Leitze: Das patentierte Verfahren ist so effizient, weil es auf Schwingungsprinzipien und Adhäsionskräfte in der Mischung zurückgreift. Durch die Bewegung des Behälters entlang einer Kurvenbahn werden Scherkräfte erzeugt, die das Material intensiv durchmischen. Diese Scherkräfte verteilen sich gleichmäßig im gesamten Behältervolumen, da keine mechanischen Rührwerkzeuge vorhanden sind, die zu lokalen Belastungsspitzen führen könnten.

Das System verwendet die sogenannten Lissajous-Kurven ...

Leitze: Die Lissajous-Kurven charakterisieren ein physikalisches Phänomen, das durch die Überlagerung harmonischer Schwingungen entsteht, die senkrecht zueinander verlaufen. Sie entstehen durch zwei koordinierte Bewegungen des Prozessbehälters. Durch präzise zeitliche Steuerung entstehen Kreuzungspunkte, an denen Scher- und Zugkräfte auftreten. Dadurch kann das Produkt allein durch Bewegungen des Behälters eigenständig vermischt werden.

Hukelmann: Im Gegensatz zu Rührwerken, bei denen oft nur ein Teil der Masse mit dem Rührer in Kontakt kommt, wird beim Trajektionsmischen die gesamte Prozessmasse gleichzeitig bewegt und bearbeitet – was eine besonders wirksame, gleichzeitig aber schonende Durchmischung ermöglicht, da keine direkten mechanischen Einwirkungen auf das Material stattfinden.

Eine industrielle Maschine namens „hs Tumbler“, gebaut überwiegend aus Metall mit mehreren beweglichen Teilen, Rutschen und Fülltrichtern. Die robuste Edelstahlkonstruktion steht auf Rollen und verfügt über große Fenster seitlich, um Einblick in das Maschineninnere zu ermöglichen. Die Oberflächen sind für Hygiene und leichte Reinigung gestaltet. Das Gerät ist für automatisiertes Mischen oder Streuverfahren im industriellen oder wissenschaftlichen Bereich konzipiert.

Optimal für mittelgroße bis große Produktionsvolumen in der Industrie: Das J4-System überzeugt durch vollautomatische Behälterladung und Durchsätze bis zu 7.200 Kilogramm pro Stunde. Copyright: ©hs-tumbler GmbH

Wie kann die Mischintensität auf das spezifische Material abgestimmt werden? Welche Parameter lassen sich anpassen?

Hukelmann: Die Lissajous-Kurven simulieren die verschiedenen Rührfunktionen, die in herkömmlichen Mischern von Schneebesen oder Knethaken übernommen werden. Ihre spezifische Ausprägungen, die Lissajous-Figuren, hängen von Parametern wie Frequenz, Amplitude, Phasenlage und Beschleunigung ab und lassen sich exakt an die Viskosität und Struktur des Mischguts anpassen.

Leitze: Um Ihnen ein konkretes Beispiel zu geben: In der Kochschinkenproduktion ermöglicht das Trajektionsmischen, dass jeder Batch individuell prozessiert werden kann – mit spezifisch angepassten Zeiten, Bahnkurven und Lake-Zudosierung. Alle Prozessparameter, die Bahnkurven, Frequenzen und Temperaturen, sind exakt programmierbar und werden protokolliert. Smarte Sensorik überwacht den Prozess, Fernwartung und automatische Sicherheitsabschaltungen sichern den Betrieb.

Ihr System hat mittweile die Prüfung für den industriellen Einsatz am Deutschen Institut für Lebensmitteltechnik (DIL) erfolgreich absolviert. Welche Kriterien standen dabei im Mittelpunkt?

Hukelmann: Die Testläufe konzentrierten sich auf Verarbeitungszeit, Homogenität und Produktqualität bei der Produktion von Kochschinken. Die Ergebnisse bestätigen die signifikant kurze Prozesszeiten bei gleichmäßiger Verteilung von Lake und vergleichbarer Ausbeute und Verarbeitbarkeit der produzierten Waren.

Leitze: Wir sprechen hier von 7,2 Tonnen Ware pro Stunde. Der Chargenwechsel lässt sich in zehn bis zwölf Sekunden durchführen – und damit rund 1.000-mal schneller in herkömmlichen Verfahren. Das verbessert nicht nur Hygiene und Flexibilität, sondern ermöglicht Herstellern auch die Umsetzung neuer Inline-Produktionsmethoden.

Seit Sommer kommt die Technologie erstmals in der großtechnischen Schinkenproduktion bei einem Lebensmittelproduzenten zum Einsatz. Wie läuft der Tumbelprozess konkret ab?

Hukelmann: Der Trajektionsmischer bietet dem Kunden eine revolutionäre Alternative, indem er mehrere Prozessschritte der traditionellen Kochschinkenherstellung effizient kombiniert. Das Fleisch wird automatisch dem Vorlagebehälter zugeführt, gewogen und gegebenenfalls mit dem auf die Rezeptur abgestimmten Lake-Anteil versetzt. Dann erfolgt die Übergabe in den Prozessbehälter und der HS-Tumbler startet mit der intensiven Durchmischung und Massage. Diese sorgt für Eiweißaufschluss, Texturverbesserung und gleichmäßige Verteilung der Lake.

Leitze: Das Prinzip folgt dem einer Black Box: Fleisch und Lake werden gemeinsam in den Behälter gegeben und das fertige Produkt kommt heraus. Die Produktion kann spontan, ohne Vorlaufzeit starten und unser Mischer liefert einen quasi kontinuierlichen Produktstrom von knapp über sieben Tonnen pro Stunde. Wenn gewünscht, kann bei entsprechender mechanischer Vorbereitung, auch der Injektor ersetzen werden.

Hukelmann: Der Einzelprozess dauert nur rund 20 Sekunden und ermöglicht eine quasi-kontinuierliche Produktion mit konstanter Qualität. NIR-Technologien können helfen, Ein- und Auslaufende Qualitäten zum Ermitteln und so immer den optimalen Prozess zu ermöglichen. So gewinnt der Produzent nicht nur Sicherheit.

Warum wird die Lake-Injektion als einer der heikelsten Aspekte der Fleischverarbeitung angesehen?

Leitze: Bei herkömmlichen Methoden werden Pökel-Injektoren eingesetzt, die mit mehreren Nadeln die Lake direkt ins Fleisch einbringen. Das Verfahren ist jedoch häufig ungenau in der Dosierung und kann zu einem Austritt von Flüssigkeit führen, wodurch das Risiko mikrobiologischer Verunreinigungen steigt.

Welche Vorzüge bietet der Trajektionsmischer?

Leitze: Der Trajektionsmischer bietet hier einen entscheidenden Vorteil: Er macht die Injektion überflüssig. Stattdessen wird die Lake zusammen mit dem Fleisch im geschlossenen Behälter durch präzise Bahnbewegungen vollständig und homogen eingearbeitet.

Hukelmann: Die gesamte Prozessmasse ist gleichzeitig in Bewegung, wodurch die Lake gleichmäßig verteilt wird – ohne Nadeln, ohne Rücklauf, ohne Hygiene- oder Dosierprobleme. Dies reduziert nicht nur das Risiko der mikrobiellen Verunreinigung, sondern führt auch zu einer konsistent höheren Produktqualität.

Zum Einsatz kommt bei dem Kunden eine Industriemaschine vom Typ J4. Was zeichnet die Anlage aus?

Leitze: Wir bieten die Anlage in zwei Ausführungen an. Beide, sowohl die J4-Flow als auch die J4-Base, stehen Kunden als vollautomatisierte Systeme zur Verfügung. Während die J4-Flow mit über sieben Tonnen pro Stunde auf hohe Durchsatzmengen spezialisiert ist, fokussiert die J4-Base mit ihren zweieinhalb Tonnen pro Stunde auf Produktvarianz.

Hukelmann: Der Typ J4, der auch beim Schinkenproduzenten zum Einsatz kommt, arbeitet bei minimalem Energieverbrauch mit vier symmetrisch bewegten Behälter. Jeder davon fasst 15 Kilogramm Masse, so dass die Anlage bei zwei Batches zu je 60 Kilogramm pro Minute stündlich 7,2 Tonnen verarbeiten kann. Durch das kleine Volumen der Behälter sind Reinigungszeiten und Proteinverluste minimiert. Die Anlage ist komplett in Edelstahl gefertigt und entspricht damit den hohen Hygenic Design-Anforderungen in der Fleischindustrie

Stichwort Effizienz: Welche Auswirkungen hat das Verfahren auf den Energieverbrauch?

Hukelmann:Wir können in der gleichen Zeit die dreifache Menge verarbeiten wie der derzeit größte auf dem Markt verfügbare Mischer – und das bei einem um 80 Prozent geringeren Energieverbrauch. Dank der Konstruktion ohne Mischwerkzeuge ist zudem eine schnelle und einfache Reinigung mit minimalem Wasserverbrauch möglich, ein weiterer ökologischer und ökonomischer Vorteil.

Leitze: Aufgrund dieser hohen Ressourceneffizienz ist der Trajektionsmischer in vielen Anwendungsfällen auch BAFA-förderfähig, was die Investition für Lebensmittelproduzenten zusätzlich attraktiv macht.

Auf der Anuga FoodTec 2024 in Köln sorgte das Trajektionsmischen für Furore und wurde von einer Expertenjury mit dem International FoodTec Award in Gold ausgezeichnet. Vor welchen Herausforderungen stehen Sie aktuell?

Leitze: Als Startup mit innovativer Technologie haben wir diverse Hürden zu überwinden: Dazu gehören, wie am Beispiel der Schinkenproduktion ersichtlich, das Testen und Verifizieren der Mischprozesse unter industriellen Bedingungen, der Aufbau eines verlässlichen Service-Netzwerks sowie die Überzeugung potenzieller Kunden von der technischen Zuverlässigkeit der Anlagen. Renommierte Auszeichnungen wie der International FoodTec Award haben vor diesem Hintergrund eine große Bedeutung.

Hukelmann: Zur Anwendung kommt unser Verfahren in der Lebensmittelverarbeitung, Pharmazie, Kosmetik und Chemie. 20 Systeme sind weltweit im Einsatz, von den USA bis Japan. In der nächsten Entwicklungsstufe wollen wir unser Technologie durch den Einsatz Künstlicher Intelligenz zur dynamischen Optimierung der Bahnkurvengenerierung einen zusätzlichen Schub geben. Die KI wird auch in bereits ausgelieferte Systeme nachrüstbar sein.

Zwei Personen in weißen Hemden mit aufgeknöpften Ärmeln arbeiten gemeinsam an der Maschine in einem professionellen Umfeld

Geschäftsführer der hs tumbler GmbH: Bernhard Hukelmann (links) und Andreas Leitze Copyright: ©hs-tumbler GmbH

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Kontakt
hs-tumbler GmbH
info@hs-tumbler.com
https://www.hs-tumbler.com