Hyperspektrale Bildverarbeitung
Unsichtbares sichtbar machen
Lässt sich der Geschmack mit Hilfe von Bildverarbeitung beurteilen? Es ist kaum zu glauben, denn Lebensmittel zeigen alle möglichen Variablen in der chemischen Zusammensetzung aber: „Obwohl der Geschmack von Lebensmitteln keine unmittelbar sichtbare Eigenschaft ist, lässt sich diese Frage in bestimmten Fällen und mit dem Einsatz der richtigen Technologie mit einem klaren Ja beantworten“, sagt Minna Törmälä, Global Marketing Manager bei Specim. Das finnische Unternehmen gehört seit 2020 zur Konica Minolta Gruppe. Eine derartige Aufgabenstellung sei mit herkömmlicher Vision-Technologie, die „auf das Erkennen von Merkmalen und Fehlern an der Oberfläche der untersuchten Objekte limitiert ist natürlich nicht lösen“, so die Expertin – wohl aber mit hyperspektraler Bildverarbeitung (engl.: Hyperspectral Imaging, HSI).
KI-gestützte Software und HSI-Kameras
Die hyperspektrale Bildverarbeitung rückt auch auf der Anuga FoodTec zunehmend in den Fokus der Qualitätssicherung, denn mit ihr lassen sich im Sekundentakt qualitätsrelevante Parameter wie Trockenmasse, Zucker-, Eiweiß- und Fettgehalt direkt in der Produktionslinie bestimmen – berührungslos und ohne dass Proben entnommen werden müssen. Im Mittelpunkt stehen dabei neben KI-gestützter Software vor allem die HSI-Kameras. Sie machen die spektralen Signaturen von Materialien und Verbindungen sichtbar und ermöglichen dem menschlichen Auge, das Unsichtbare zu sehen. Sie erfassen nicht nur die Reflexionen des Lichts, das von den Oberflächen eines Objekts auf den Bildsensor fällt und als Basis für die nachfolgende Erkennung von Oberflächenmerkmalen aufgenommen wird, sondern erlauben auch eine Unterscheidung der chemischen und molekularen Strukturen von Materialien im Inneren. „Nutzt man diese Technologie in der Lebensmittelindustrie, öffnet sich der Blick in neue Dimensionen der Qualitätskontrolle“, so Törmälä.
Bei der hyperspektralen Bildverarbeitung handelt es sich um eine Kombination aus zweidimensionaler Abbildung und Schmalbandspektroskopie. Mit dieser Technik lässt sich die Lichtintensität für jeden Pixel mit einer höheren Anzahl an Spektralbändern aufnehmen. Typischerweise arbeiten die Kameras im Wellenlängenbereich des sichtbaren bis zum nahen Infrarotlicht (NIR) und decken ein Aufnahmespektrum von bis zu 250 Spektralbändern ab. Jeder Pixel des Bildes erhält so ein vollständiges Farbspektrum – und nicht nur die drei Werte für Rot, Grün und Blau. Törmälä: „Auf diese Weise kann ein Objekt mit deutlich mehr Details und höherer Genauigkeit erfasst werden, womit sich die Technologie besonders für die Qualitätssicherung eignet – etwa um die Eigenschaften im Inneren der Lebensmittel zu erkennen, die den Geschmack beeinflussen.“

© Condi Food
Tomaten nach Geschmack beurteilen
Der Hintergrund: Die chemische Zusammensetzung von Lebensmitteln sowie Merkmale wie Reifegrad, Zuckeranteil und Säuregehalt sind entscheidend für die Geschmacksqualität. Und genau diese Eigenschaften lassen sich mit hyperspektralen Bildverarbeitungssystemen analysieren. Dass HSI-Systeme in der Lage sind, den Geschmack von Lebensmitteln zu beurteilen, bestätigt das niederländische Unternehmen Condi Food BV, das sich auf die Qualitäts- und Sicherheitsprüfung von Lebensmitteln spezialisiert hat. „Wir haben eine innovative HSI-Lösung zur Bewertung des Geschmacks von Kirschtomaten entwickelt, das nahtlos in den Sortierprozess bei der Tomatenernte integriert werden kann“, gibt Robi Nederlof, Geschäftsführer von Condi Food, ein Beispiel. Über die chemische Zusammensetzung sowie den Reifegrad oder Zuckeranteil kann in Echtzeit eine Aussage über den Geschmack getroffen werden.
Eine zentrale Rolle spielt dabei die FX17-Hyperspektralkamera von Specim, die auf einem InGaAs-Sensor basiert und 224 Wellenlängenbänder aus dem NIR-Spektralbereich abdeckt. InGaAs (Indium-Gallium-Arsenid) ist ein Halbleitermaterial, das für seine Empfindlichkeit gegenüber Infrarotlicht bekannt und besonders effektiv im Bereich von 900 bis 1.700 Nanometer ist. „Viele der geschmacksbeeinflussenden Eigenschaften von Obst, Gemüse und anderen Lebensmitteln lassen sich bei Analysen in diesem Spektrum untersuchen und beurteilen“, betont Minna Törmälä. Mit Hilfe geeigneter Klassifikations-Algorithmen kann so nach der Bildaufnahme exakt ausgewertet werden, welche Stoffe vorliegen.

© Specim
Hyperspektralkamera als Schlüsselkomponente
Eine Besonderheit der Specim FX17-Kamera besteht darin, dass sich ihre Aufnahmegeschwindigkeit flexibel an die Bedingungen des jeweiligen Einsatzfalles anpassen lässt. Es ist möglich, nur solche Wellenlängenbänder auszuwählen, die für die aktuelle Anwendung relevante Informationen liefern. Durch diese Reduzierung kann die Standard-Aufnahmegeschwindigkeit der Specim FX17 von 670 Zeilen pro Sekunde bei Nutzung aller 224 Wellenlängenbänder auf mehrere tausend Zeilen pro Sekunde gesteigert werden, indem nur die aussagekräftigen Spektralbereiche betrachtet werden. Eine Eigenschaft, die als "Multi Region of Interest" (MROI) bezeichnet wird. Neben der höheren Aufnahmegeschwindigkeit reduziert MROI die Datenmenge und erleichtert die Verarbeitung und Speicherung der Daten.
Mit der Auswahl der geeigneten Hyperspektralkamera war der wesentliche Schritt zur Entwicklung des Analysesystems getan. In der von Condi Food realisierten Anlage kann das HSI-System auf dieser Basis mit der hohen Produktionsgeschwindigkeit von 60 Tomaten pro Sekunde auf zwei parallelen Linien Schritt halten und ermöglichte die zuverlässige Erkennung aussagekräftiger Geschmacksparameter, ohne das Gemüse zu beschädigen oder zu berühren. „Dank der hohen Effizienz konnten wir die Geschmacksprüfung nahtlos in die Produktionslinie integrieren, ohne dass es zu Unterbrechungen kommt“, unterstreicht Nederlof.

© Specim
Inspektion erkennt defekte Lebensmittel
Das erfolgreiche Projekt von Condi Food zur Analyse des Tomatengeschmacks zeigt nach Nederlofs Überzeugung, dass die hyperspektrale Bildverarbeitung auch für die Analyse anderer Obst- und Gemüsesorten sowie weiterer Lebensmittel alle technischen Voraussetzungen erfüllt: „HSI ist zu einem wichtigen Instrument für die fortschrittliche Qualitätskontrolle in der Lebensmittelindustrie geworden. Angesichts der Herausforderungen bei der Produktion von Agrarerzeugnissen in Gewächshäusern und der zunehmenden Einfuhr von Frischprodukten ist die Inspektion von entscheidender Bedeutung, um die hohen Qualitätsstandards der Verbraucher zu wahren.“
Die Technologie ist dabei auch in der Lage, bereits Ware mit Druckstellen zu erkennen, die wenige Tage später nicht mehr verzehrt werden sollte. Unverkäufliche Produkte oder teure Rückrufaktionen sind dann mögliche Folgen, die sich durch den Einsatz von hyperspektraler Bildverarbeitung vermeiden lassen. „Defekte Lebensmittel können dank HSI bereits beim Produzenten aussortiert werden und müssen die nachfolgenden Prozesse wie das Verpacken und die Logistikkette bis zum Kunden nicht mehr durchlaufen. Dies führt zu weniger Ressourceneinsatz und zu einer Verringerung von Abfällen“, bringt Minna Törmälä die Vorteile auf den Punkt. Zudem könne die Analyse des Geschmacks von Lebensmitteln aller Art den Umsatz einer Marke erheblich fördern. Törmälä: „Früher wurden Tomaten, Paprika, Erdbeeren, Äpfel und viele andere Agrarprodukte ausschließlich nach ihrer Größe und Farbe sortiert. Das perfekte Aussehen von Obst oder Gemüse ist jedoch keine Garantie dafür, dass ihr Geschmack tatsächlich den Anforderungen der Verbraucher entspricht.“ Schmecke den Kunden das Obst oder Gemüse jedoch, werden sie den Händler auch bei späteren Einkäufen wieder wählen. „Auf diese Weise können sich die Investitionen in ein HSI-System zur Analyse des Geschmacks schnell amortisieren“, sagt die Global Marketing Managerin.´
Weitere Informationen:
www.specim.com