Köln: 23.–26.02.2027 #AnugaFoodTec2027

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Technologie- und Wissenstransfer

Globalisierung als Chance für mehr Nachhaltigkeit

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Als Teil des UN-Systems mobilisiert UNIDO ITPO Germany Investitionen und Technologien für eine nachhaltige industrielle Entwicklung in Entwicklungs- und Schwellenländern. Olaf Deutschbein, Leiter des Berliner ITPO Germany Büros, erläutert anhand weltweiter Kooperationsprojekte, warum mehr Produktivität und Nachhaltigkeit nur durch Innovationen und Wissenstransfer entstehen können – vor allem im Schulterschluss mit europäischen bzw. weltweit aktiven Unternehmen.

Welche Wünsche hat die UNIDO an die Zulieferer der Lebensmittel- und Getränkeindustrie, wenn Sie an das Leitthema „Responsibility“ der Anuga FoodTec 2024 denken?

Es ist großartig, dass die Anuga FoodTec 2024 das Leitthema Responsibility aufgegriffen hatte. Das deckt sich mit dem Mandat der UNIDO, eine nachhaltige industrielle Entwicklung zu fördern. Also: Verantwortung für Mensch und Natur bei der Produktion zu übernehmen – besonders am Anfang der Lieferketten, in Entwicklungsländern. Denn nachhaltige Lieferketten sind für die wirtschaftliche Entwicklung des Globalen Südens wichtig.

Die Lebensmittel- und Ernährungsindustrie ist weltweit die größte Wirtschaftsbranche. Sie kann ganz maßgeblich zu Klimaschutz, Nachhaltigkeit und fairen Produktionsbedingungen weltweit beitragen. Ich bin mir sicher: Alle Aussteller haben die Notwendigkeit gesehen, verantwortungsvoll zu handeln. Und dass darin große unternehmerische Chance liegen. Ich bin mir aber auch sicher, dass es unterschiedliche Ansichten gibt, wie genau wir Verantwortung übernehmen sollten.

Aus Sicht der UNIDO würde ich mir wünschen, dass das Thema Verantwortung noch konsequenter beim Management der Lieferketten und Zulieferer berücksichtigt wird. Das heißt: einen guten Plan entwickeln, um Risiken in einzelnen Branchen oder Regionen zu erkennen und vorzubeugen. Und im Falle eines Verstoßes Änderungen vorzunehmen. Denn Globalisierung kann nur erfolgreich sein, wenn sie zu gemeinsamer Entwicklung und Nachhaltigkeit führt, anstatt zu schneller Profitmaximierung und am Ende sogar zu Ausbeutung.

Unternehmen, die in verlässliche, nachhaltige Lieferketten investieren, kommen häufig auch besser durch externe Krisen. Das hat die Corona-Pandemie gezeigt. Durch einen höheren Grad an Vertrauen und stabile Geschäftsbeziehungen konnte die Produktion auch schneller wieder hochgefahren werden.

Wie können aus Sicht der UNIDO die Zulieferer der Lebensmittel- und Getränkeindustrie zur Erreichung der Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen (SDGs) beitragen?

In vielerlei Weise. Der vielleicht wichtigste Ansatzpunkt ist die Beendigung von Kinderarbeit – und das hat viel mit Löhnen und der Überwindung von Armut zu tun, dem Nachhaltigkeitsziel Nummer 1. Aber viele Jobs in Entwicklungsländern reichen kaum zum Überleben. Nehmen Sie zum Beispiel Kakao für die Schokolade. Eine siebenköpfige Familie in der Cote d’Ivoire, aus der rund 50 Prozent des importierten Rohkakaos in Deutschland stammen, erwirtschaftet oft nur 100 Euro im Monat durch den Anbau von Kakao. In anderen Bereichen sieht es nicht besser aus. Eine Folge dieser Armut: hunderttausende Kinder müssen schuften, auch auf den Kakaoplantagen. Zu Lasten ihrer Kindheit, ihrer Bildung, ihrer Zukunft. Diese Missstände sollten als Erstes angegangen werden.

Es gibt gute Ansätze. Um beim Beispiel Kakao zu bleiben: im Forum Nachhaltiger Kakao haben sich die deutsche Lebensmittelindustrie, die Zivilgesellschaft und die Bundesregierung zusammengeschlossen, um die Lebensbedingungen der Kakaoproduzenten und ihrer Familien zu verbessern, ganz konkret von 30.000 bäuerlichen Familienbetrieben.

Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz will dies verbindlich regeln…

Die Frage ist: Wie schaffen wir es, dass globale Lieferketten nachhaltiger, gerechter werden? In ein Bündel von Maßnahmen gehören – neben freiwilligen Maßnahmen wie dem Forum nachhaltiger Kakao oder dem Forum Nachhaltiges Palmöl – auch verbindliche Standards. Hier geht es aber nicht darum, dass überall auf der Welt Europas Sozialstandards gelten. Es geht um die Einhaltung fundamentaler Menschenrechte wie dem Verbot von Zwangs- und Kinderarbeit in den Lieferketten. Das wird mit dem Gesetz für alle großen Unternehmen verbindlich geregelt. Dabei gilt eine Bemühenspflicht: Als Unternehmer muss ich analysieren, wo in meiner Lieferkette Probleme sein könnten, Verbesserungen vornehmen und Verstößen nachgehen. Wer sich nachweislich bemüht, hat im Falle eines Verstoßes auch keine Sanktionen zu befürchten.

Welche Herausforderungen sehen Sie bei der Umsetzung weltweit?

Das Gesetz führt zu neuen internen Prozessen. Es ist verständlich, dass Mittelständler sich sorgen, ob sie das schaffen. Aber zum einen gelten die Regeln nur für Unternehmen mit mindestens 1.000 Mitarbeitern. Daran ändert auch die neue EU-Richtlinie nichts. Vielmehr werden KMU vor einer Weitergabe der Pflichten durch größere Konzerne jetzt besser geschützt. Zum anderen zeigen viele Unternehmen seit Jahren, dass es wirtschaftlich funktioniert.

Eine weitere Herausforderung sehe ich darin, dass Zulieferer in Entwicklungsländern mit den neuen Regeln allein gelassen werden. Die EU, die Vereinten Nationen und die Unternehmen sollten sie daher unterstützen und gemeinsame Lösungen für mehr Nachhaltigkeit in Lieferketten entwickeln. Dazu zählen aus meiner Sicht günstige Kredite für notwendige bauliche und investive Maßnahmen, aber auch Unterstützung bei Management- und Berichtsaufgaben. Die UNIDO setzt sich genau dafür ein. Diese Unterstützung würde auch zu einer höheren Akzeptanz der Regelungen führen.

Wie können die Lebensmittel- und Getränkeindustrie sowie ihre Zulieferer noch dazu beitragen, den Hunger weltweit zu beenden?

Der erste Schritt ist eine produktivere Landwirtschaft. In Europa schafft ein Landwirt im Schnitt acht Tonnen Getreide pro Hektar. In Afrika gerade mal 1,5 Tonnen. Hier geht es um klima-angepasste Sorten, bessere Anbaumethoden, oder die Einführung von angepassten Landmaschinen. Vier von fünf afrikanischen Bauern bestellen ihr Land noch immer von Hand, eine Motorhacke ist quasi High Tech. Hier hat die Lebensmittelindustrie viel angestoßen, um die Produktivität zu verbessern. Beispielsweise auch zur Stärkung bäuerlicher Strukturen durch den Aufbau von Kooperationen, Genossenschaften und Maschinenringen – nach dem Motto: Gemeinsam produzieren und verkaufen und so das Angebot an guter Qualität vergrößern. UNIDO hat hier beispielsweise ein Coffee Training Center mit einem italienischen Unternehmen aufgebaut, mit dem die Verarbeitung von Kaffee gefördert und Best Practices an 30.000 äthiopische Kaffeebauern vermittelt wird.

Der nächste Schritt ist der Aufbau einer verarbeitenden Industrie – mehr lokale Wertschöpfung. Noch immer importiert der afrikanische Kontinent 50 Milliarden $ an verarbeiteten Lebensmitteln im Jahr, obwohl Afrika reich an Agrarprodukten ist. In Kenia wurde zum Beispiel eine Mango-Saftfabrik mit deutschen know-how gebaut, die zehntausenden Mangobauern ein festes Einkommen bietet.

Damit diese Produkte auch Europa erreichen, ist drittens Unterstützung bei der Lebensmittelqualität und Zertifizierung nötig. Auf all diese Punkte setzt die UNIDO einen Schwerpunkt, um die nötigen Technologien in den globalen Süden zu vermitteln.

Warum sind Technologie und Wissenstransfer sowie Investitionspartnerschaften zwischen Industrie- und Entwicklungsländern grundsätzlich wichtig?

Weil wir so riesige Sprünge initiieren können – auch mit einfachen Dingen wie modernen Silos, damit weniger Getreide nach der Ernte verrottet. Wichtig ist zu sehen: das Wissen und die Technologie sind weltweit vorhanden für eine Welt ohne Hunger. Wir müssen es aber noch stärker verfügbar machen - durch multilaterale Plattformen.

Nur so können wir die Potentiale im Agrotech-Bereich ausschöpfen, und Ausbildung und angepasste Technologien in den Ländern des globalen Südens voranbringen. Deshalb werden die Afrikanische Union und UNIDO Anfang November eine große Agrarkonferenz in Äthiopien ausrichten - für weltweite Kooperationsprojekte mit Lebensmittelindustrie, Ernährungswirtschaft und Investoren. Denn mehr Produktivität und Nachhaltigkeit entstehen nur durch Innovation und Wissenstransfer, vor allem im Schulterschluss mit europäischen bzw. weltweit aktiven Unternehmen. Und nicht zu vergessen: Hier liegen natürlich auch enorme Chancen für den Export von Technologien für die Lebensmittelverarbeitung.

Interessierte Unternehmen können sich in Deutschland an das UNIDO-Büro für Investitions- und Technologieförderung wenden für gemeinsame Projekten vor Ort zur Ausbildung, zur Agrarkooperation oder zur Anwendung von Arbeits- und Umweltstandards in Zuliefererbetrieben.

©Olaf Deutschbein

©Olaf Deutschbein

UNIDO ITPO Germany

Die Organisation der Vereinten Nationen für Industrielle Entwicklung (United Nations Industrial Development Organization - UNIDO) unterstützt die nachhaltige industrielle Entwicklung in Entwicklungs- und Schwellenländern mit besonderem Fokus auf ressourcenschonende und umweltgerechte Technologien und Produktionsverfahren.

Das deutsche UNIDO-Büro für Investitionsförderung und Technologietransfer (ITPO Germany) mit Sitz in Berlin und Bonn hat das Mandat die Investitionsförderung und den Transfer von nachhaltigen Technologien aus Deutschland und Europa in Entwicklungs- und Schwellenländer, mit besonderem Fokus auf die Märkte in Subsahara-Afrika, zu stärken und zu fördern.

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