Köln: 23.–26.02.2027 #AnugaFoodTec2027

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Extraktion von Lactoferrin

Effiziente Proteingewinnung mit Radialflusschromatographie

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Die steigende Nachfrage nach funktionellen Milchproteinen wie Lactoferrin erfordert innovative und skalierbare Produktionsverfahren. Polmlek, das größte privat geführte Milchverarbeitungsunternehmen Polens, hat gemeinsam mit der Universität Poznań und der Firma Handtmann ein industrielles Verfahren zur Extraktion von Lactoferrin aus Kuhmilch umgesetzt. Die Anwendung der Radialflusschromatographie ermöglicht eine kontinuierliche, effiziente und hochreine Gewinnung des Proteins. Dieser Artikel beschreibt die technologischen Grundlagen, die Pilotierung, die Auslegung der Pro-duktionsanlage sowie die erzielten Ergebnisse und zukünftigen Perspektiven.

Polmlek ist seit über 30 Jahren ein führender Akteur in der polnischen Milchindustrie. Mit 15 modernen Produktionsstätten und über 5.000 Mitarbeitenden steht das Unternehmen für Qua-lität, Innovation und internationale Wettbewerbsfähigkeit. Im Rahmen der strategischen Wei-terentwicklung wurde das Projekt zur Gewinnung von Lactoferrin initiiert – einem bioaktiven Milchprotein mit hohem Marktpotenzial.

Lactoferrin (LF) ist ein eisenbindendes Glycoprotein mit einem Molekulargewicht von ca. 80 kDa. Es kommt in der Milch aller Säugetiere vor. In Kuhmilch mit einer durchschnittlichen Kon-zentration von etwa 130 mg/l. Aufgrund seiner antibakteriellen, antiviralen, antimykotischen, immunmodulierenden und antitumoralen Eigenschaften ist es besonders wertvoll für die Säug-lingsernährung, Nahrungsergänzung und Kosmetikindustrie.

Lactoferrin

© Wikipedia

Projektstart und Technologieauswahl

Die Universität Poznań unterstützte Polmlek bei der Auswahl geeigneter Technologien zur Extraktion von Lactoferrin. Nach eingehender Analyse verschiedener Verfahren wurde die Radialflusschromatographie der Firma Handtmann als bevorzugte Lösung identifiziert.

Die Albert Handtmann Armaturenfabrik GmbH & Co. KG mit Sitz in Biberach hat sich in den vergangenen Jahrzehnten vom Komponentenhersteller zum umfassenden Lösungsanbieter für die Pharma-, Biopharma-, Lebensmittel- und Getränkeindustrie entwickelt. Als Teil der international agierenden Handtmann Unternehmensgruppe mit ca. 4.700 Mitarbeitenden verbindet das Unternehmen jahrzehntelange Erfahrung mit Innovationskraft und partnerschaftlicher Kundennähe. Handtmann ist damit ein verlässlicher Partner für effiziente, sichere und nachhaltige Prozesse.

Anlagenschema

©Albert Handtmann Armaturenfabrik GmbH & Co. KG.

Radialflusschromatographie – Grundlagen

Die Radialflusschromatographie (RFC) bietet gegenüber konventionellen Säulenverfahren entscheidende Vorteile:

  • Kontinuierlicher Betrieb mit hoher Durchflussrate
  • Geringer Differenzdruck bei großem Volumenstrom
  • Effiziente Skalierbarkeit durch Anpassung der Säulengröße
  • Hohe Selektivität durch spezifische Adsorbermaterialien

Diese Eigenschaften ermöglichen die wirtschaftliche Verarbeitung großer Milchmengen bei gleichzeitig hoher Produktreinheit.

Pilotanlage

©Albert Handtmann Armaturenfabrik GmbH & Co. KG.

Pilotierung und Prozessentwicklung

Im Herbst 2023 wurden erste Pilotversuche von der Firma Handtmann in der Produktionsstät-te Lidzbark durchgeführt. Ziel war die Validierung der Prozessierbarkeit der vorhandenen Roh- und Hilfsstoffe sowie die Erhebung von Prozessdaten für die spätere Skalierung.

  • Leistung der Pilotanlage: 1.500 Liter pro Stunde
  • Versuchsaufbau: RFC-Säule mit agarosebasiertem Resin der Firma Cytiva zur selektiven Bindung von Lactoferrin und Lactoperoxidase
  • Prozessschritte: Beladung, Elution, Regeneration
  • Datenerhebung: Durchsatz, Adsorptionsverhalten, Elutionsprofil, Reinheit

Die Ergebnisse bestätigten die Eignung der Technologie für den industriellen Maßstab.

Auslegung und Aufbau der Produktionsanlage

Basierend auf diesen Daten wurde eine Produktionsanlage mit einer Kapazität von 900.000 Litern Rohmilch pro Tag konzipiert. Die Extraktionsleistung beträgt 45.000 Liter pro Stunde, was einer täglichen Gewinnung von ca. 75 kg Lactoferrin entspricht.

Anlagenstruktur

Über einen Ventilknoten sind beide Separator-Pasteurlinien mit der Extraktionsanlage verbun-den. Zur Entkoppelung der Anlagen sind zwei Puffertanks zwischengeschalten, wodurch das Vermischen von Wasser und Milch beim An- und Abfahren verhindert wird.
Die Radialflusssäulen sind in zwei Gruppen aufgeteilt. Während bei einer Gruppe frische Milch zugeführt wird, um Lactoferrin zu binden (Beladung), wird bei der anderen Gruppe das bereits gebundene Lactoferrin geerntet (Eluiert) und die Säulen anschließend regeneriert. Damit ist ein kontinuierlicher Betrieb der Anlage möglich, welcher nur durch die CIP der Separator-Pasteurlinien unterbrochen wird.
Zur Bindung von Lactoperoxidase und Lactoferrin wird in den Radialflusssäulen ein Agarose-basiertes Resin verwendet. Beide Proteine werden getrennt eluiert (abgelöst). Dabei wird be-reits die Reinheit vom Endprodukt festgelegt.
Die Elution (Ablösen der adsorbierten/extrahierten Proteine) und die Regeneration erfolgt über das sogenannte Elutionsskid. In diesem Anlagenteil werden die benötigten Medien aus vor-handenen, konzentrierten Lösungen inline mit Wasser auf die gewünschte Konzentration ver-dünnt und bei Bedarf noch erwärmt.
Das Lactoferrin wird gekühlt und in zwei gekühlten Tanks gesammelt. Die Lactoperoxidase wird ebenfalls in Tanks gesammelt.

Prozessdetails

Adsorbermaterial: Agarosebasiertes Resin mit hoher Selektivität der Firma Cytiva
Elution: In nur einem chromatografischen Schritt wird bereits die benötigte Reinheit von >95 % des Lactoferrins erreicht.
Regeneration des Resins: automatisiert über Elutionsskid
Salzrückgewinnung: Rückführung in den Prozess zur Ressourcenschonung

Take-Over Ventilmatrix

©Albert Handtmann Armaturenfabrik GmbH & Co. KG.

Ergebnisse und Validierung

Die Anlage wurde im Frühsommer 2025 erfolgreich in Betrieb genommen. Die im Kaufvertrag vereinbarten Leistungsparameter wurden deutlich übertroffen:
Reinheit des Lactoferrins: >98 %
Stabiler kontinuierlicher Betrieb
Minimierte Stillstandszeiten durch CIP-optimierte Separatorlinien
Hohe Kundenzufriedenheit: Bestellung einer zweiten identischen Anlage für einen weiteren Standort in Polen (geplante Inbetriebnahme Frühjahr 2026)

Radialfluss-Säulen

©Albert Handtmann Armaturenfabrik GmbH & Co. KG.

Fazit und Ausblick

Das Projekt zeigt exemplarisch, wie durch enge Zusammenarbeit zwischen Industrie, Wissen-schaft und Technologiepartnern innovative Produktionsprozesse erfolgreich realisiert werden können. Die Radialflusschromatographie hat sich als leistungsfähige Methode zur Gewinnung von funktionellen Milchproteinen etabliert.

Polmlek plant mit Handtmann, die Technologie weiter auszubauen und zusätzliche bioaktive Komponenten aus Milch zu extrahieren. Die Kombination aus hoher Produktqualität, Prozess-stabilität und Skalierbarkeit bietet großes Potenzial für zukünftige Anwendungen in der funktio-nellen Ernährung und Biotechnologie.

Danksagung

Wir danken der Universität Poznań für die wissenschaftliche Begleitung und allen beteiligten Firmen für die technische Umsetzung.

Autoren:

Michael Feische, - Leiter F&E Albert Handtmann Armaturenfabrik GmbH & Co. KG,

Thomas Maier, - Prozessingenieur F&E Albert Handtmann Armaturenfabrik GmbH & Co. KG